Meissen Okarinas

letzte Ergänzung: 4.5.2024

Da konnte ich nicht Nein sagen, als ich kürzlich eine gut spielbare "Meissen-Okarina" entdeckte.
Signatur: blauer Schriftzug Meissen
Stempel: C

Trotz kleiner Macken kann man ihren Zustand als gut bezeichnen.

Die Intonation ist für leichten bis mittleren Blasdruck eingerichtet. Die hohen Noten lassen sich sehr leicht spielen. Sie sind ein wenig hauchig aber auf eine gute und schöne Weise. Der Grundton ist der tiefste Ton. Er lässt sich auch etwas unterblasen, um den Leitton darunter zu bekommen, muss man aber extrem leicht blasen. Das klingt nicht gut, kann man aber nicht kritisieren, weil nicht klar ist, ob dieses Unterblasen überhaupt vom Hersteller angedacht war.

 

Neben einer guten Intonation der Grifflöcher ist die Form des Windkanals ein entscheidendes Merkmal für die gute Bespielbarkeit. Nur wenn sich der Windkanal/Kernspalt verjüngt und mit einem engen, sauber geschnittenen Ausgang gut auf das Labium ausgerichtet ist, sprechen die Töne in allen Lagen gut an. Das ist bei dieser Okarina der Fall. Sie lässt sich schön weich mit einem angenehmen Ton spielen. Die für eine Konzertokarina erforderliche Blasdruckkurve, die für einen kraftvollen und durchsetzungsfähigen Klang der Okarina sorgt, habe ich bislang bei keiner einzigen antiken MEISSEN-Okarina erlebt. Ich würde sie daher nicht als Konzertokarina bezeichnen.

Als ich das Instrument in meine Datenbank eintrug und in der Fotosammlung stöberte, bekam ich Lust, einmal die ganze Sammlung auf dem Gartentisch auszubreiten und zu fotografieren.

Diese im Laufe der Jahre zusammengetragene Sammlung ermöglicht mir, systematisch Variationen dieser berühmten Okarinas zu belegen. 2011 wurde in Tibia 4/2011, S. 562-568, Jg. 36, Bd. 18" der Artikel "Die Okarina-Fertigung aus Porzellan in Meissen" von Gunther Joppig veröffentlicht. Seine Recherche in alten Fachzeitschriften ergab, dass in den 1890er Jahren in Meissen zwei Fabriken gegründet wurden, in denen man unter anderem Porzellanokarinas baute. Joppig beschreibt einen markanten Unterschied, an dem man erkennen kann, aus welcher Werkstatt die Porzellan-Okarinas kommen: die Form des Mundstücks. Beide Hersteller waren wohl durchaus in der Lage, gute Instrumente herzustellen. In einem zeitgenössischen Instrumentenkatalog werden die Okarinas in den höchsten Tönen gelobt: Zitat --- "Unsere Okarinas sind ein hinsichtlich Sauberkeit in der Ausführung und Reinheit des Tones vorzügliches Fabrikat." --- Zitat Ende

Warum haben diese Okarinas dann heute einen so schlechten Ruf? Das ist eine der Fragen, der ich mit dieser systematisch zusammen getragenen Sammlung nachgehen will.

 

Die Vielfalt der Okarina-Modelle aus Meissen

Die MEISSEN-Okarinas lassen sich auf unterschiedliche Weise ordnen. Auf den folgenden Fotos sieht man sie nach Tonlage gruppiert. Neben jedem Instrument wird die Markierung angezeigt. Auf dem unteren Foto fehlen die Hinweise auf die Signatur. Die sieht man nur auf dem oberen Foto.

 

Hier kann man sehen, warum meine MEISSEN-Okarina-Sammlung im Laufe der Jahre so umfangreich wurde. Die beiden Hersteller Freyer&Co und Moritz Schulze verwendeten systematische Bezeichnungssysteme, die sowohl mit als auch ohne MEISSEN-Signatur zu finden sind. Freyer verwendete einen blauen Schriftzug. MEISSEN. (Der Punkt gehört zur Signatur!) Dieser als Unterglasurmalerei aufgebrachte Schriftzug tritt am Mundstück sowohl aufsteigend als auch absteigend auf. Im www sind auch Fotos von Freyer-Okarinas zu finden, bei denen ein langer Schriftzug mit Firmenname diagonal über die Okarina verläuft. Die Signatur auf dem Mundstück ist vermutlich eine Verkürzung der Langversion.
Schulze verwendete für die Signatur einen Stempel, mit dem der Name der Stadt MEISSEN in das Mundstück gedrückt wurde.
Das von Schulze verwendete Bezeichnungssystem 3G, 4F, 5D, 6C, 8A wirft die Frage auf, ob es auch die Stimmlagen 1C, 2B, 7B gab?

Auf einer Katalogseite des Versandhauses "Meinel & Herold" sind Okarinas in B-Stimmung zu finden, allerdings lediglich unter der Rubrik "Okarinas aus Ton (Terrakotta)". In der Rubrik "Porzellan-Okarinas (Zwiebelmuster)" findet man diese Stimmlage nicht. Die Katalognummern sind 3, 4, 5, 6, 8.

 

Interessanterweise werden auf der Katalogseite keine Herstellernamen erwähnt. Die Form der Mundstücke lässt aber vermuten, dass die Porzellan-Instrumente von Freyer & Co und die schwarz lackierten Instrumente teilweise von anderen Herstellern (möglicherweise von Schulze, Fiehn oder EWA ?) stammen. Leider sind keine Markierungen zu erkennen, die auf einen konkreten Hersteller schließen lassen.


Freyer&Co (Meissen blau) verwendete sowohl Buchstaben, als auch Ziffern; nach bisherigem Kenntnisstand allerdings nie kombiniert. Beide Bezeichnungssysteme (Buchstabe oder Ziffer) entsprechen dem Bezeichnungssystem von Schulze.

 

Bislang sah ich noch keine allein mit einer Ziffer gekennzeichnete Okarina mit blauer MEISSEN. Signatur. Gibt es die tatsächlich nicht?
Alles in allem ergeben sich aus den bisherigen Beobachtungen sieben unterschiedliche Markierungssysteme, die aus der Katalogseite so nicht ersichtlich sind, durch die Instrumente selbst aber belegt sind. Weitere Markierungssysteme könnten sich aus der Position der Stimmlagen-Markierung (Stempel) ergeben.
Stimmzüge wurden von beiden Herstellern angeboten und sind bei unterschiedlich markierten Instrumenten zu finden.
Die Klappe sah ich bislang nur bei Instrumenten von Freyer&Co.

 

Übersicht der bislang gefundenen Markierungstypen:

- Meissen blau aufwärts, 1 Buchstabe
- Meissen blau abwärts, 1 Buchstabe
- Meissen weiß, 1 Ziffer + 1 Buchstabe
ohne Meissen-Schriftzug oder Stempel
- mit schräg angesetztem Mundstück,
- - 1 Buchstabe
- - 1 Ziffer
- mit konischem Mundstück
- - 1 Ziffer + 1 Buchstabe
Die Ausrichtung der Buchstaben- und Ziffern-Stempel variiert ebenfalls.
Ein echtes Set muss aus gleichartig markierten Instrumenten bestehen. Ansonsten ist es ein zusammengewürfeltes Sammelsurium.
- Ein Set aus Grundformen muß 5 Stimmlagen enthalten
 > 8A, 6C, 5D, 4F, 3G
- Ein Set aus Instrumenten mit Stimmzug muß 4 Stimmlagen enthalten
> 8A, 6C, 5D, 4F
Belege für aufeinander abgestimmte Instrumente fand ich bislang nur für Duos. Die wurden in einem eigens dafür angefertigtem Instrumentenkasten angeboten.

 

In meiner Kollektion hat jede Okarina Merkmale, die sie einzigartig und gut erkennbar machen. Diese Merkmale beziehen sich auf die Signatur, die Markierung der Stimmlage sowie die Ausstattung mit Stimmzug und Klappe.

Ich habe mich gefragt, ob sich die unterschiedliche Bespielbarkeit der MEISSEN-Okarinas irgendwie im Markierungssystem wiederspiegelt. Die Zeitspanne, in der die Okarinas produziert wurden, könnte rund 50 Jahre lang gewesen sein (1891/1893 bis 1945?). In diese Zeit fällt der 1. Weltkrieg (1914-1918). Es ist denkbar, dass es Zeitabschnitte gab, in denen die Okarinaproduktion aus verschiedenen Gründen Qualitätseinbußen erlitt.  Doch um diesbezüglich eine sichere Aussage machen zu können, dafür ist die Anzahl der gesammelten Okarinas zu gering.
Die Hauptursache für die schwere Bespielbarkeit mancher MEISSEN-Okarinas ist bei meinen Instrumenten ein viel zu weiter Ausgang des Windkanals. Wer also nicht nur auf der Suche nach einem Dekorationsartikel ist, sondern die Okarina auch zum Musizieren nutzen möchte, muss bei diesem Detail ganz genau hinsehen.

 

Ein gut geformter, einigermaßen enger Windkanal.

Ein verzogener und zu weiter Windkanal.

Warum teilweise grottenschlechte Instrumente in den Handel kamen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ein Negativbeispiel habe ich in der Sammlung. Bei diesem hat sich die Öffnung des Kernspalts am Ende des Windkanals verzogen und nach oben gewölbt. In diesem Zustand ist diese Okarina völlig unspielbar. Warum diese in der Qualitätskontrolle nicht ausgesondert wurde und der Fehlbrand in den Handel kam, ist mir ein Rätsel.

Ein Teil der Meissen-Okarinas klingt zwar schön und lässt sich ganz passabel spielen, ist aber nicht gut oder gar nicht in der genannten Tonlage spieltbar. Aus meinen Zufallsfunden generell auf die Bespielbarkeit der Meissen-Okarinas zu schließen, wäre ziemlich vermessen. Fest steht aber: Man muß sich beim Kauf dieser Okarinas gut überlegen, wieviel Geld man dafür investieren will. Es war ein Massenprodukt, das allem Anschein nach in unterschiedlichen Güteklassen angeboten wurde.

 

Für Sammler des weltbekannten Meissener Porzellan® der ältesten deutschen Porzellanmanufaktur, der königlichen (heute staatlichen) Porzellanmanufaktur Meissen sind diese Instrumente uninteressant, da sie aus mindestens zwei anderen Manufakturen stammen: Freyer & Co, sowie Moritz Schulze.

Wenn man auf Auktionsfotos Brand- und Rostflecken erkennt, hat man es je nach Ausmaß der Verunreinigung mit B-Ware oder schlechter zu tun. Wie sehr das für Okarinasammler den Preis drückt, hängt davon ab, wie sich die Okarina spielen lässt und wie sie klingt.  

Klangbeispiel
Die Melodie "Maiden-Lane", eingerichtet für Pendant und Travers-Okarinas in C, ist zu finden in meinem Notenheft "30 Alte Englische Tanzweisen"
Ich spiele sie hier auf einer alten Porzellanokarina, die folgende Prägung zeigt: 6 C MEISSEN Der tiefste spielbare Ton ist C, jedoch lässt sich das hübsche Instrument besser in cis spielen.

Griffsystem - Noten

Meissen-Okarinas werden mit dem italienischen bzw. europäischen 10-Loch-Griffsystem gespielt. 

Hier finden Sie eine Grifftabelle und die passenden Noten >klick<